Dissoziative Störungen: Häufigkeit, Verlauf und Ursachen
Dissoziative Störungen sind seltene, aber ernsthafte psychische Erkrankungen, die oft mit traumatischen Erlebnissen in Verbindung stehen. Sie können in verschiedenen Formen auftreten und unterschiedlich lange andauern. Während einige Betroffene nur kurzfristig Symptome erleben, können sich bei anderen langanhaltende und chronische Verläufe entwickeln.
Wie häufig sind dissoziative Störungen?
Schätzungen zufolge liegt das Risiko, im Laufe des Lebens an einer dissoziativen Störung zu erkranken, bei etwa zwei bis vier Prozent der Bevölkerung. Die meisten Fälle treten vor dem 30. Lebensjahr auf, danach nimmt die Häufigkeit tendenziell ab.
- Frauen sind etwa dreimal häufiger betroffen als Männer.
- Dissoziative Störungen treten oft in Verbindung mit anderen psychischen Erkrankungen auf, zum Beispiel mit:
- Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS)
- Angststörungen
- Depressionen
- Borderline-Persönlichkeitsstörung
- Schizophrenie
Verteilung der verschiedenen Formen
Die Häufigkeit dissoziativer Störungen variiert je nach Subtyp:
- Dissoziative Amnesie – etwa 7 % der Menschen erleben mindestens einmal im Leben einen teilweisen oder vollständigen Gedächtnisverlust für belastende Ereignisse.
- Dissoziative Identitätsstörung (Multiple Persönlichkeitsstörung) – betrifft ca. 1 % der Bevölkerung.
- Dissoziative Fugue – sehr selten (ca. 0,2 %).
- Dissoziative Bewegungsstörungen und Sensibilitätsstörungen – ebenfalls selten (je 0,3 %).
- Dissoziativer Stupor – eine extreme Form der Erstarrung tritt bei ca. 0,1 % der Menschen auf.
Wie verlaufen dissoziative Störungen?
- Akute Verläufe: In vielen Fällen verschwinden die Symptome nach einigen Wochen oder Monaten von selbst, insbesondere wenn der auslösende Stressfaktor nachlässt.
- Chronische Verläufe: Wenn eine dissoziative Störung nicht behandelt wird oder durch anhaltende zwischenmenschliche Probleme verstärkt wird, kann sie sich verfestigen und jahrelang bestehen bleiben.
- Wechselhafte Verläufe: Symptome können über längere Zeiträume hinweg kommen und gehen oder sich in ihrer Ausprägung verändern.
Faktoren, die den Verlauf beeinflussen:
- Frühe Diagnosestellung und Behandlung verbessern die Prognose erheblich.
- Chronische Verläufe sind häufiger, wenn die Betroffenen zusätzlich an anderen psychischen Störungen leiden.
- Stabile soziale Unterstützung und therapeutische Interventionen helfen, die Symptome zu lindern.
Wie entstehen dissoziative Störungen?
Die Entstehung dissoziativer Störungen ist das Ergebnis eines Zusammenspiels verschiedener biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren.
- Traumatische Erfahrungen als Hauptursache
- Über 90 % der Betroffenen mit schweren dissoziativen Symptomen haben traumatische Erfahrungen gemacht, etwa:
- Körperliche oder sexuelle Gewalt
- Kriegserlebnisse oder Naturkatastrophen
- Unfälle oder schwere Krankheiten
- Emotionale Vernachlässigung oder Missbrauch in der Kindheit
- Dissoziation dient hier als Schutzmechanismus der Psyche, um extremen Stress oder Schmerz „abzuschalten“.
- Über 90 % der Betroffenen mit schweren dissoziativen Symptomen haben traumatische Erfahrungen gemacht, etwa:
- Neurobiologische Ursachen: Stressreaktionen im Gehirn
- Forschungen zeigen, dass bei dissoziativen Störungen verschiedene Hirnregionen und Botenstoffe verändert sind:
- Hippocampus (Gedächtniszentrum) ist durch chronischen Stress beeinträchtigt, wodurch Erinnerungen nicht richtig gespeichert oder abgerufen werden können.
- Amygdala (Emotionsverarbeitung) zeigt bei traumatisierten Menschen eine übersteigerte Aktivität, was zu erhöhter Angst und emotionaler Reaktivität führt.
- Cortisol (Stresshormon) beeinflusst die Gehirnchemie und trägt zur Entstehung von dissoziativen Symptomen bei.
- Forschungen zeigen, dass bei dissoziativen Störungen verschiedene Hirnregionen und Botenstoffe verändert sind:
- Individuelle Faktoren: Wer ist besonders gefährdet?
- Genetische Veranlagung: Eine familiäre Neigung zu Dissoziationen könnte das Risiko erhöhen.
- Persönlichkeitsmerkmale: Menschen, die stark fantasievoll, hypnotisierbar oder besonders offen für neue Erfahrungen sind, erleben eher dissoziative Symptome.
- Mangelnde Stressbewältigungsstrategien: Wer keinen guten Umgang mit Stress gelernt hat, entwickelt möglicherweise eher eine Dissoziation als Bewältigungsmechanismus.
Schutzfaktoren: Was kann vor dissoziativen Störungen schützen?
Ob jemand nach einem Trauma eine dissoziative Störung entwickelt, hängt auch von schützenden Faktoren ab:
- Gute soziale Unterstützung durch Familie und Freunde
- Frühe Verarbeitung traumatischer Erlebnisse in Psychotherapie
- Stressbewältigungsstrategien und Achtsamkeit
- Körperliche Gesundheit (ausreichend Schlaf, Bewegung, Ernährung)
Fazit: Frühe Hilfe verbessert die Prognose
- ✅ Dissoziative Störungen sind zwar selten, können aber tiefgreifende Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben.
- ✅ Häufig entstehen sie als Folge schwerer Traumata oder langfristiger psychischer Belastungen.
- ✅ Der Verlauf kann unterschiedlich sein – während einige Betroffene nur vorübergehende Symptome haben, entwickeln andere chronische Störungen.
- ✅ Eine frühzeitige Diagnose und Therapie können entscheidend dazu beitragen, dass sich die Betroffenen stabilisieren und ihre Lebensqualität zurückgewinnen.
- 💡 Wichtig: Wenn dissoziative Symptome auftreten, sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden. Je früher eine Behandlung beginnt, desto besser sind die Heilungschancen.